Library / Literary Works

    August Wilhelm Schlegel

    Pygmalion


    In qual parte del ciel’, in quale idea
    Era l’ esempio, onde natura tolse
    Quel bel viso leggiadro, in ch’ella volsè
    Mostrar quaggiù, quanto lassù potea?
    Petrarca.


    Festlich duften Cypriens Altäre,
    Von Gesang ertönet Paphos Hain.
    Schön geordnet ziehn geschmückte Chöre
    In den myrtumkränzten Tempel ein.
    Rosig blüh’nde Mädchen, zarte Knaben,
    Alle bringen sie Gelübd’ und Gaben,
    All’ erflehn, Verlangen in der Brust,
    Liebe, Reiz und Jugendlust.

    Wollust athmet aus den Rosenlauben,
    Wo sich willig manches Paar verirrt,
    Wo ein Paar von buhlerischen Tauben
    Ihrer Ankunft süß entgegengirrt.
    Küsse hört man flüstern in den Büschen,
    Wo sich Licht und Dunkel lieblich mischen,
    Wo der Grund, mit Moosen überwebt,
    Sich zum Lager schwellend hebt.

    Aber einsam, in sich selbst verschlossen,
    Schaut Pygmalion dem Feste zu;
    Das Frohlocken muthiger Genossen
    Weckt ihn nicht aus seiner ernsten Ruh.
    Suchtest du denn von den Schönen allen,
    Holder Jüngling, keiner zu gefallen?
    Oder hat, für die dein Sinn entbrannt,
    Spröde sich dir abgewandt?

    Ach! ihm kam wohl mancher Gruß entgegen,
    Mancher Wink verhieß ihm Gunst und Glück,
    Und es hob von schnellern Herzensschlägen
    Mancher Busen sich vor seinem Blick.
    Doch umsonst! nie öffnet er die Arme,
    Daß davon umstrickt ein Herz erwarme;
    Dieser Mund, wo frisch die Jugend blüht,
    Wird von Küssen nie durchglüht.

    Höher strebt sein einziges Begehren,
    Hingeschmiegt an einen zarten Leib
    Würde dennoch Sehnsucht ihn verzehren:
    Was ihm fehlt, gewährt kein irdisch Weib.
    Nicht um Blumen, gleich dem Schmetterlinge,
    Auf zur Sonne mit des Adlers Schwinge
    Schwebt sein Geist, und athmet reine Luft,
    Unberauscht von süßem Duft.

    Zur Geliebten hat er sich erlesen,
    Die noch nie ein sterblich Auge sah;
    Nur ein Schatte, doch ein mächtig Wesen,
    Ist sie fern ihm, und doch ewig nah,
    Tief in seines Innern heil’ger Stille
    Pflegt die Dichtung sie mit reger Fülle,
    Und umarmt das göttlich schöne Bild,
    Halb von eignem Glanz verhüllt.

    In erstauntes Anschaun so versunken,
    Fühlt er sich allein, wann er erwacht.
    Götter! seufzt er dann, nur Einen Funken,
    Einen Funken eurer Schöpfermacht!
    Bin ich bloß zu eitlem Wahn gebohren?
    Meine Lieb’ an einen Traum verlohren,
    Der, von ihrem Odem nie beseelt,
    Liebevoll sich mir vermählt?

    Oder thronet, die ich lieb’, im Saale
    Des Olymp mit sel’ger Allgewalt?
    Trinkt sie jeden Tag aus goldner Schale
    Jugend und ambrosische Gestalt?
    Wird sie zürnend den Vermeßnen tödten,
    Der in Lieb’ entbrennt, statt anzubeten?
    Oder lächelt sie voll Größ’ und Huld
    Seiner hoffnungslosen Schuld?

    Göttin, deren neugebohrne Schöne
    Einst das Meer in Pupurglut getaucht!
    Du, die in die Brust der Menschensöhne,
    Wie der Götter, linde Wonne haucht!
    Sieh mit unaussprechlichem Verlangen
    Mich am Schatten deines Bildes hangen:
    Diese Züge hoher Anmuth lieh
    Nur von dir die Phantasie.

    Zwar dich darf kein Sterblicher erblicken,
    Wie du bist, wie dich der Himmel kennt;
    Kaum durchblitzen würd’ ihn das Entzücken
    Einen schnell vernichtenden Moment.
    Aber laß, wie Frühlingswehn, dein Lächeln
    Eine jungfräuliche Stirn umfächeln,
    Wie die Sonn’ im Bache sich beschaut:
    Und ich grüße sie als Braut!

    Also fleht er oft, doch aus den Sphären
    Steigt Erhörung niemahls ihm herab.
    Nur die Kraft kann seinen Wunsch gewähren,
    Die zuerst dem Wunsche Flügel gab.
    Hoffst du Labung ausser dir? Vergebens!
    In dir fließt die Quelle schönes Lebens;
    Schöpfe da, und fühle froh geschwellt
    Deine Brust, dein Aug’ erhellt.

    Eine Stimme, tröstend im Versagen,
    Flüstert in die Seel’ ihm diesen Rath.
    Nein! nicht länger will er schmachtend zagen:
    Träume reifen zu Entschluß und That.
    Muthig, was er liebt, sich zu erschaffen,
    Schärft er seines Geistes goldne Waffen;
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    Still verheißt dem Sinnenden die Kunst
    Hülfe, statt der Götter Gunst.

    Jener Zaubrer wandelnder Gestalten,
    Dädalus, erzog ihn einst für sie,
    Lehrt’ ihn Bildung aus dem Stoff entfalten,
    Bis sie schön zum Ebenmaaß gedieh.
    Gern besiegt von seines Meissels Schlägen,
    Schien der starre Felsen sich zu regen,
    Und er ward auf seines Lehrers Spur
    Nebenbuhler der Natur.

    Wie Prometheus Menschen, seine Brüder,
    Bildet’ er der Götter ganzes Chor;
    Zog zur Erde nur den Himmel nieder,
    Nicht die Erde zum Olymp empor.
    Edle Wesen, irdische Heroen,
    Doch nicht groß wie die unnennbar Hohen,
    Schien ihr mildres, nicht umstrahltes Haupt
    Der Unsterblichkeit beraubt.

    Und der Künstler wohnt’ in ihrer Mitte,
    Frey und fröhlich ihnen zugesellt,
    Sie bewirthend nach der biedern Sitte
    Jener ersten, unschuldvollen Welt,
    Wo die Himmlischen auf stillen Fluren
    Oft mit Menschen Freud’ und Leid erfuhren;
    Wo Apoll, ein unerkannter Hirt,
    Singend Tempe’s Thal durchirrt.

    Aber seit ein nahmenloses Sehnen,
    Süß und quälend, seine Brust entzweyt,
    Seit der Wahn des nie erblickten Schönen
    Ihn berauscht mit Allvergessenheit,
    Ließ er ruhn die kunstbegabten Hände,
    Unbesorgt, ob er ein Werk vollende,
    Das nur halb, mit zweifelhaftem Sieg,
    Aus dem Stein ins Leben stieg.

    Nun, da zu der holden Unsichtbaren
    Ihn hinan des Muthes Fittig trägt,
    Will er seinen Augen offenbaren,
    Was sein Busen heimlich längst gehegt.
    In der Flut begeisternder Gedanken,
    Die entbunden um die Sinne schwanken,
    Liebeglühend, tritt Pygmalion
    In der Werkstatt Pantheon.

    Und, o Wunder! in verklärtem Lichte
    Stehen rings die stolzen Bilder da;
    Es enthüllt dem staunenden Gesichte
    Gottheit sich, wie er sie nimmer sah.
    Wie von reinem Nektarthau durchflossen,
    Wonnevoller Ewigkeit Genossen,
    Schön und furchtbar, scheinen sie erhöht
    Zu des Urbilds Majestät.

    Auf des Donnergottes heitre Brauen
    Wallt der Locken hoher Schwung zurück;
    Juno thront, die Königin der Frauen;
    Pallas senkt den züchtig ernsten Blick.
    Bacchus bietet hold die süßen Gaben,
    Weiche Jugend blüht dem Götterknaben;
    Hermes regt den Sinn, behend und schlau,
    Mit der Glieder leichtem Bau.

    Selbstgenugsam, in entzückter Feyer,
    Schwebt Apoll, mit Daphne’s Laub bekränzt.
    Haucht Gesänge zu der stummen Leyer,
    Die in seinem Arm, ein Kleinod, glänzt.
    Und o du! süßlächelnde Dione,
    Mit der Anmuth zartem Gürtel! schone!
    Gab er nicht zum Opfer Seel’ und Sinn
    Ganz, o Himmlische, dir hin?

    Freudig, doch mit ahndungsvollem Schweigen,
    Blickt er auf der Himmelsmächte Kreis:
    Richter sind sie ihm und heil’ge Zeugen,
    Wie er ringt nach der Vollendung Preis.
    Nicht zu ruhn, noch feige zu ermatten,
    Schwört er, bis er den geliebten Schatten,
    Einen Fremdling in der niedern Welt,
    Seinen Göttern dargestellt.

    Schöner Stein! in Paros kühlen Grüften
    Hat die Oreade dir gelacht;
    Ja, du wurdest aus den Felsenklüften
    In beglückter Stund’ hervorgebracht.
    Von der Hand Pygmalions erkohren,
    Reiner Marmor! wirst du neugebohren.
    Was sein Stahl dir liebend raubt, vergilt
    Tausendfach das holde Bild.

    Wann Aurora kaum noch deine Weiße
    Röthet, eilt der Künstler schon herzu,
    Und ihn winkt von immer süßerm Fleiße
    Nur die Nacht gebieterisch zur Ruh.
    Wann des Schlafes Arm’ ihn leis’ umfangen,
    Spielt um ihn das schmeichelnde Verlangen,
    Zeichnet sein gelungnes Werk der Traum
    Dämmernd in des Aethers Raum.

    Endlich geht die freundlichste der Sonnen
    Ueber ihm, Vollendung bringend, auf.
    Endlich, endlich ist das Ziel gewonnen,
    Und die Palme kühlt des Siegers Lauf.
    Vor ihm blüht das liebliche Gebilde,
    Gleich der Rose, die der Frühlingsmilde,
    Welche webend, athmend um sie floß,
    Kaum den Purpurkelch erschloß.

    Hüllenlos, von Unschuld nur umgeben,
    Scheint sie sich der Schönheit unbewußt;
    Ihre leicht gebognen Arme schweben
    Vor dem Schooß und vor der zarten Brust,
    Reine Harmonie durchwallt die Glieder,
    Deren Umriß, von der Scheitel nieder
    Zu den Sohlen, hingeathmet fliegt,
    Wie sich Well’ in Welle schmiegt.

    Schön begränzt ihr Daseyn stille Gnüge,
    Friedlich wohnet es in sich daheim;
    Und es ruht im Spiel der linden Züge
    Unentfaltet künft’ger Liebe Keim.
    Gleich als ob sie nimmer traur’ und zürne,
    Lacht’ ihr heller Blick, die ebne Stirne;
    Ihre halbgeschloßne Lippe schwoll,
    Süßer Tön’ und Küße voll.

    Selig festgezaubert im Betrachten,
    Schaut Pygmalion und glüht und schaut.
    Bald verstummt er, aufgelös’t in Schmachten,
    Bald erschallt des Herzens Hymne laut.
    Einen Gegenstand der Huldigungen
    Hat sich nun die treue Lieb’ errungen,
    Die nach dem, was nirgends war zuvor,
    In der Oede sich verlor.

    Seine Seele, die Erwiedrung heischet,
    Leihet der Geliebten, was sie fühlt,
    Gern vom eignen Wiederschein getäuschet
    Der um jene Jugendfülle spielt.
    Mit des Steines nachgeahmtem Leben
    Strebt er sich so innig zu verweben,
    Daß sein Herz, von Lieb’ und Lust bewegt,
    Wie in Beyder Busen schlägt.

    Was ersann er nicht, ihr liebzukosen?
    Welche süße Nahmen nannt’ er nicht?
    Das Gebüsch verarmt an Myrt’ und Rosen,
    Die er sorgsam ihr in Kränze flicht.
    Aber ach! wann wird ihr holdes Flüstern
    Seinen Liebesreden sich verschwistern?
    Wann besiegelt der erwärmte Mund
    Wiederküssend ihren Bund?

    Lächelnd einst, wie mildes Frühlingswetter,
    Schaut Urania vom lichten Thron.
    Von der Menschen Vater und der Götter
    Fodert sie der reinsten Treue Lohn:
    Sieh! allein von allen Erdensöhnen
    Hat Pygmalion, dem höchsten Schönen
    Huldigend, und frey vom Sinnenbrand,
    Sich zu meinem Dienst gewandt.

    Nicht aus Trotz, zu eitlem Schöpferruhme,
    Folgsam lauschend nur dem innern Ruf,
    Stellt’ er im verborgnen Heiligthume
    Uns die Gattin dar, die er sich schuf.
    Jenen Funken, den Prometheus raubte,
    Zum Verderben seinem stolzen Haupte,
    Gieb ihn mir für den bescheidnen Sinn
    Meines Künstlers zum Gewinn.

    So die Göttin, und mit Wohlgefallen
    Winkt ihr Zeus und neigt den Herrscherstab.
    Locken, den Olymp erschütternd, wallen
    Auf die Stirn ambrosisch ihm herab.
    Ein gewohntes Opfer darzubieten
    Stand Pygmalion in Duft und Blüthen,
    Als es wie ein Blitz sein Mark durchdrang,
    Daß er zagend niedersank.

    Doch ihn locken ferne Melodien
    Zauberisch ins Leben bald zurück.
    Rosenfarbne Morgenschimmer fliehen
    Um das Bild, und laben seinen Blick.
    Wie von eines Aetherbades Wogen
    Wird sie sanft gewiegt und fortgezogen:
    Soll sie eures Himmels Zierde seyn?
    Götter! Götter! sie ist mein.

    Und er fliegt hinzu, und schlingt die Arme
    Kühn und fest um das geliebte Weib.
    Glühend, schauernd fühlt er, sie erwarme;
    Seinem Drucke weicht der Marmorleib.
    Und es schlägt ihr Herz die ersten Schläge,
    Und die Pulse werden hüpfend rege,
    Und das Drängen junger Lebenslust,
    Schwellt die ungeduld’ge Brust.

    Und ihr Auge – Wonne würd’ ihn tödten,
    Schlöß’ es sich dem fremden Tage nicht.
    Ach! sie drückt mit schüchternem Erröthen
    An des Jünglings Busen ihr Gesicht.
    Liebe! Liebe! stammeln Beyder Zungen,
    Und die Seelen, ganz in eins verschlungen,
    Hemmt ein Kuß im schwesterlichen Flug,
    Mit geheimnißvollem Zug.




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