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    Johann Georg Jacobi

    An ein sterbendes Kind

    So wandle denn, von Thränen und von Küssen
    Begleitet, deine Bahn;
    Ein kleiner Engel geht voran,
    Und leuchtet dir in deinen Finsternissen.
    Des Engels Haupt ist sanftes Abendroth;
    Aus seinen Händen nimmt der Tod
    Den Becher, den er dir zum letzten Schlummer beut;
    Und tief im Becher ist des Himmels Süßigkeit.
    Schon warten dein mit rosenfarbnen Flügeln,
    Auf ewig grünen Hügeln,
    Die Kinder Seelen dort, im bessern Sonnenglanz,
    Und zeigen sich einander deinen Kranz.
    O wie so brüderlich, mit seligem Vertrauen,
    Du neuer Engel! wirst du nun
    An ihrer Brust, als ihr Gespiele, ruhn;
    Mit ihnen Palmen-Hütten bauen;
    Und, zwischen Lilien den Gott der Wonne schauen,
    Den du, vom Winde leicht gekühlt,
    Hienieden schon gefühlt,
    Als wir in deinen Schooß die ersten Blumen warfen.
    So wandle denn zum Klang der Silberharfen;
    Und wenn dein Blick herab von hohen Sternen fällt;
    O dann gedenk an diese Schatten-Welt,
    An diesen Erden-Tag,
    An diesen Labetrunk, in Liebevollen Armen,
    Das einzige, was Irrdisches Erbarmen
    Dem Sterbenden zu reichen noch vermag.
    Gedenk’ an uns, in deinem Siege;
    Wir aber segnen oft die kleinen holden Züge,
    Worinnen uns das Paradies
    Ein Bild von seiner Unschuld wies.




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