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    Wilhelm Idel

    Der Ave Maria-Ritter

    Ein Ritter war der Fehden müd’,
    Kein Heil ist ihm daraus erblüht.
    Will frommer Klosterbruder sein,
    Zu Altenberg da kehrt er ein:
    „Ave Maria!“

    „Ihr Brüder, sparet euch die Müh’,
    Daß ihr mich lehret spät und früh!
    Sie wär’ verloren, wie ihr seht.
    Mir ist’s genug mit dem Gebet:
    Ave Maria!“

    Ob sie ihm stündlich sprechen vor
    Das Credo und Confiteor,
    Ihm will’s nicht in den Kopf hinein;
    Sein frommer Mund, er spricht allein:
    „Ave Maria!“

    So hielt er’s bis zu seinem End’. –
    Als ihm gereicht das Sakrament,
    Ein Schein umleuchtet sein Gesicht,
    Und seine Lippe leise spricht:
    „Ave Maria!“

    Was wächst aus seinem Grab hervor?
    Eine Lilie in schneeweißem Flor.
    Ihr Glanz verklärt die Ruhestatt,
    Es schimmert hell auf jedem Blatt:
    „Ave Maria!“

    Die Brüder kommen all zuhauf.
    "O, laßt die Gruft uns graben auf!"
    Da wird ein großes Wunder kund:
    Die Blum’ entsprießt des Toten Mund.
    „Ave Maria!“

    „Einfältigen und treuen Sinn.
    Erhöht die Himmelskönigin,“
    Der greise Prior bebend spricht
    „Die Liebe braucht der Worte nicht! –
    Ave Maria!“




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