Library / Literary Works

    Nikolaus Lenau

    An meine Rose

    Frohlocke, schöne junge Rose,
    Dein Bild wird nicht verschwinden,
    Wenn auch die Glut, die dauerlose
    Verweht in Abendwinden.

    So süßer Duft, so helle Flamme
    Kann nicht für irdisch gelten,
    Du prangst am stolzen Rosenstamme,
    Verpflanzt aus andern Welten;

    Aus Büschen, wo die Götter gerne
    Sich in die Schatten senken,
    Wenn sie in heilig stiller Ferne
    Der Menschen Glück bedenken.

    Darum mich ein Hinübersehnen
    Stets inniger umschmieget,
    Je länger sich in meinen Thränen
    Dein holdes Antlitz wieget.

    O weilten wir in jenen Lüften,
    Wo keine Schranke wehrte,
    Daß ich mit deinen Zauberdüften
    Die Ewigkeiten nährte! –

    Hier nah’n die Augenblicke, – schwinden
    An dir vorüber immer,
    Ein jeder eilt, dich noch zu finden
    In deinem Jugendschimmer;

    Und ich, wie sie, muß immer eilen
    Mit allem meinem Lieben
    An dir vorbei, darf nie verweilen,
    Von Stürmen fortgetrieben.

    Doch hat, du holde Wunderblume,
    Mein Herz voll süßen Bebens
    Dich mir gemalt zum Eigenthume
    In’s Tiefste meines Lebens,

    Wohin der Tod, der Ruhebringer,
    Sich scheuen wird zu greifen,
    Wenn endlich seine sanften Finger
    Mein Welkes niederstreifen.




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